SENSO® Innovativ: Dynasens

DYNAMISCHE SENSORGESTÜTZTE PERSONALEINSATZ- UND TOURENPLANUNG
IN DER AMBULANTEN PFLEGE

Neue Modelle betreuerischer und pflegerischer Leistungen eröffnen die Chance, neue Anwendergruppen zu erreichen und sich innovativen Anforderungen zu stellen.

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens Dynasens (www.dynasens.de) haben sich die beteiligten Firmen das Ziel gesetzt, technische Lösungen zur Verminderung physischer und psychischer Belastungen bei ambulanten Pflegekräften zu entwickeln. Wichtige 

Ergebnisse des am 31.12.2015 abgeschlossenen Forschungsprojektes wurden in die Pflegedokumentationssoftware SENSO® übernommen. Durch das neuartige Konzept wird es möglich, die auf die Pflegemitarbeiter wirkenden körperlichen und psychischen Belastungen z. B. in der Tourenplanung zu berücksichtigen und individuelle Belastungsgrenzen nicht zu überschreiten – und das ganz ohne zusätzlichen Technikeinsatz.

Der Lösungsansatz im Projekt

Zur elektronischen Erfassung der Körperhaltung wurde eine in die Dienstkleidung integrierte Sensorik (Sensorshirt) entwickelt. Aus deren Messwerten können Teilaktivitäten und konkrete pflegerische Maßnahmen abgeleitet werden. Eine (teil-)automatisierte Dokumentation der Leistungserbringung beim Patienten erscheint bei diesem Ansatz prinzipiell möglich. Aus der Körperhaltung lassen sich aber auch Aussagen zur Belastung des Mitarbeiters speziell im Bereich der Rückenmuskulatur ableiten. Fehlhaltungen oder Überlastungen können erkannt und Gegenmaßnahmen (Hilfsmittelempfehlungen, Trainingsprogramme) frühzeitig empfohlen werden.

Im Bereich der psychischen Belastung wurden unter anderem der latente Termindruck sowie belastende Faktoren aus dem Umfeld des Pflegebedürftigen (schlechte Stimmung bei Unpünktlichkeit, Wunsch nach mehr persönlicher Zuwendung) als ursächlich für eine geringere Arbeitszufriedenheit, chronische Erschöpfung oder depressive Erkrankungen des Pflegemitarbeiters identifiziert. Die psychischen Belastungswerte werden demzufolge über den Besuch definiert.

Um den Termindruck zu reduzieren, wurde eine dynamische Personaleinsatz- und Tourenplanungssoftware entwickelt, die es ermöglicht, kurzfristig auf Personalausfälle oder Verzögerungen im Arbeitsablauf zu reagieren. Dabei werden die Bedürfnisse des Patienten wie die des Pflegedienstes gleichermaßen berücksichtigt.

Belastungsmessung in der Praxis

Da das Sensorshirt nicht von allen in der Pflege tätigen Mitarbeitern permanent getragen werden kann und die Möglichkeit der automatischen Erkennung von erbrachten Pflegeleistungen im Rahmen des Projektes nur beispielhaft (Transferleistungen) gezeigt werden sollte, wurde gemeinsam mit den Pflegekräften frühzeitig damit begonnen, den aktuellen Leistungskatalog mit Belastungswerten für die einzelnen Körperregionen (Rücken, Arme, Beine usw.) anzureichern. Anschließend wurden Gesamtbelastungswerte für jede im Katalog enthaltene Leistung festgelegt und deren signifikante Korrelation mit den Teilbelastungen nach Körperregion nachgewiesen.

Im letzten Schritt wurde der Katalog um prozentuale Gewichtungsfaktoren für die Pflegestufe und das Gewicht des Patienten ergänzt.

Zur Erstellung eines psychischen Belastungskataloges wurden auf Besuchsebene von den Mitarbeitern der Diakonie Belastungswerte für die Kriterien Stimmung und Bedürftigkeit des Patienten sowie externe und persönliche Gefährdung für weibliches Pflegepersonal ausgearbeitet. Auch in diesem Sektor wurde schließlich ein korrelierender Gesamtbelastungswert pro Besuch festgelegt.

Umsetzung in der Software

Die Kataloge ermöglichen die Berechnung von körperlichen und seelischen Belastungswerten auf Basis der erbrachten Pflegeleistungen und der durchgeführten Besuche. In der Pflegedokumentationssoftware SENSO® werden die Belastungskataloge genutzt, um die Touren zukünftig noch gerechter planen zu können. Das Ziel ist eine faire Aufgabenverteilung hinsichtlich der individuellen Möglichkeiten der Mitarbeiter.

Ausgehend von Durchschnittswerten für die Maximalbelastung eines Pflegemitarbeiters pro Tag, Woche, Monat oder Jahr können bei Bedarf individuelle Abweichungen festgelegt werden. Die kurzfristige Berücksichtigung von körperlichen Einschränkungen (z. B. Rückenschmerzen) oder psychischen Überlastungen ist somit jederzeit möglich.

Bei einer Überschreitung von Grenzwerten wird automatisch eine Warnung angezeigt. Sollte ein Mitarbeiter mit der Einsatzplanung unzufrieden sein, können die Belastungswerte eine gemeinsame Argumentationsgrundlage liefern. Bei empfundener chronischer Überlastung kann durch die individuelle Justierbarkeit auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters eingegangen werden. Langfristig haben die Verantwortlichen die Möglichkeit, die Belastungsprofile des Pflegepersonals statistisch oder für den Einzelfall auszuwerten und so Rückschlüsse auf die Gleichverteilung der Belastung oder eine mögliche Gefahr von Überlastungen zu ziehen. Auch ein Trend zu kontinuierlich steigenden Belastungswerten wird frühzeitig erkannt, und es kann ihm mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden.

Ausblick

Die erwarteten Ängste vor zu viel Überwachung im Berufsalltag wurden von den Betroffenen häufig nachrangig beurteilt. Mitarbeitern in Pflegeberufen ist es wichtig, dass die tatsächlichen Belastungen ihres Berufs von Politik und Gesellschaft wahrgenommen und anerkannt werden und dass individuelle Bedürfnisse (z. B. wegen Mehrfachbelastungen) noch stärker berücksichtigt werden. Das Mehr an Transparenz wird vorwiegend als Chance und weniger als Bedrohung

(Vergleichbarkeit) bewertet. Den Pflegenden ist bewusst, dass ihre Kollegen in ihren Stärken und Schwächen, Möglichkeiten und Belastungsgrenzen einzigartig sind; das gilt im körperlichen wie im seelischen Bereich. Diesem Umstand sollte zukünftig auch in der Einsatzplanung Rechnung getragen werden, damit physisch und psychisch gesunde Mitarbeiter dem Beruf, dem Unternehmen und dem Arbeitsmarkt möglichst lange erhalten bleiben.

An den Seitenanfang scrollen